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ERICH SEEBERG
Meister Eckhart
I. Leteinische und deutsche Schriften
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Aber geistesgeschichtliche Zusammenhänge erkennen, heißt noch nicht das Wesen einer Sache erkennen. Daß aus den gleichen Wurzeln und aus dem gleichen Erbe etwas Neues und Individuelles wird, das erst ist das eigentliche Geheimnis allen Lebens, des persönlichen wie des geschichtlichen. Daß Kinder derselben Eltern, weil zu verschiedenen Zeiten geboren, verschiedenartig sind, das erst rührt an das Mysterium des "Ich" oder der Person, die nicht immer dieselbe ist.
Das gilt auch von der deutschen Mystik des Meister Eckhart. Die deutsche Sprache, die deutsche Predigt und das letzte Geheimnisvolle und Unaussprechliche, das hinter dem Wesen von Sprache und Person steht, übertragen die lateinisch-platonische Begriffswelt in eine andere Sphäre und schaffen wirklich etwas Neues. Und es ist mir noch keineswegs sicher, ob wirklich der heute so oft proklamierte Grundsatz gilt, daß Meister Eckhart aus seinen lateinischen Schriften heraus zu verstehen ist. Ich glaube vielmehr, daß sich die Eckhart-Forschung schließlich kreisförmig entfalten wird. Sie beginnt bei den deutschen Schriften; sie gewinnt ihr Fundament in der Interpretation der lateinischen Werke; aber sie wird ihr Ende in ihrem Anfang, in den deutschen Predigten, finden. Von den deutschen Predigten aus wird schließlich der Meister in einer Interpretation, die auch die lateinischen Kommentare kennt und versteht, zu deuten sein. So schließt sich der Ring.
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