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ERICH SEEBERG
Meister Eckhart
I. Leteinische und deutsche Schriften
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Bei Thomas von Aquino ist trotz seiner aristotelischen Begriffswelt das neuplatonische Gefühl nie ganz erloschen. Meister Eckhart, der Dominikaner, ist der Schuler seines großen Ordensbruders; aber viel starker und entschlossener als jener hangt er dem Neuplatonismus an, wie er ihm durch die Araber Avicenna, Averroes und Avencebrol sowie durch den Juden Moses Maimonides nahegebracht worden ist. Ja, es scheint so zu liegen, daß der große deutsche Mystiker einer bestimmten Metaphysik nahegestanden hat, die Thomas von Aquino gerade bekampft hat. Ich meine den lateinischen Averroismus, der u. a. in Siger von Brabant einen bekannten Vertreter gehaßt hat [1]. Wenn Meister Eckhart etwa vom "Kommentator" der Metaphysik des "Philosophen" spricht, so meint er damit den Kommentar des Averroes zur Metaphysik des Aristoteles [2]. Das kleine Beispiel veranschaulicht die geistesgeschichtlichen Zusammenhange, in denen Eckhart steht.
Aber was bedeuten diese geistesgeschichtlichen Zusammenhange, in welche die Metaphysik des Meisters Eckhart eingeordnet werden muß? Wollen wir der zugespitzten und lustigen These Ç. Böhmers zustimmen, daß die sogenannte deutsche Mystik arabische oder jüdische Mystik sei? Ich meine, nein; denn es kommt auf das Wesen der deutschen wie der arabischen und der jüdischen Mystik an. Dies Wesen aber ist neu- platonisch: Jene geistesgeschichtlichen Zusammenhange besagen also, daß auch die deutsche Mystik in ihrem Wesen neuplatonische Mystik ist, und daß viele ihrer Grundbegriffe primär von dort aus erleuchtet werden können. Alle Eckhart-Interpretation wird bei dieser neuplatonischen Grundlage einsetzen müssen und dieselbe nicht aus den Augen verlieren dürfen. Und wieder einmal wird einem die Kraft des Neuplatonismus im und gegen das Christentum klar werden.
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