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FRIEDRICH HEER

Meister Eckhart

From Eckhart, Predigten und Schriften, ausgewaehlt und eingeleitet von Fr. Heer, Frankfurt/M-Hamburg 1956


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THE GREEK OLD TESTAMENT (SEPTUAGINT)

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DIONYSIUS THE AREOPAGITE

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Time and Creation in Gregory of Nyssa and Meister Eckhart
Time and Creation
In Gregory of Nyssa and
Meister Eckhart

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Eckhart wird nicht müde, den Adel der menschlichen Seele zu besingen: dieser besteht in ihrer Geistnatur, in ihrer göttlichen Natur. Die Seele ist Gottes "Sippengenosse". Eckhart macht hier im Laufe seines Lebens sichtlich eine Entwicklung durch unter dem Sog seines Publikums und vorwärtsgetrieben von seinem Daimon. Er geht aus von der uralten Lehre des Seelenfünkleins und landet bei der Übernahme der Dreifältigkeit durch die gottmächtige Seele. Die Lehre vom Seelenfünklein, vom Einwohnen Gottes in einem tiefsten gottverwandten Grunde der Seele, geht in Europa auf die Stoa zurück: die Seele ist Licht, ist Feuer wie die Gottheit, als Gleiches kann sie sich mit Gleichem vermählen. Origenes, der Erzvater des eckhartischen Denkens, spiritualisiert den älteren stoischen Materialismus, der Geist als Feuer sehr massiv auffaßt, zu einem spirituellen Feuer des Gewissens, wobei ihm die jüngere Stoa mit Seneca, auf den sich Eckhart gerne beruft, zur Hilfe kommt. Das "Hegemonikon" des Origenes, das Führungsglied in der Seele, bedeutet bereits Verstand, Vernunft, Gesinnung, Wille, Herz, Gewissen, es ist der Ort Gottes in der Seele. Proklus, Erbe Plotins, gibt in seiner Lehre von der göttlichen Spitze der Seele ebenfalls eine hochentwickelte intellektualistische Mystik, die über Dionysius Areopagita und Wilhelm von Morbeke (den Ordensbruder des Thomas und Eckharts und Proklusübersetzer!) den großen Denkern vor und um Eckhart, Alexander von Hales, Bonaventura, Albert und Thomas vertraut wird. Eckhart geht aber als Seelsorger und revolutionärer Intellektualist weiter: die Seele wird ihm immer mehr zum ganzen Reich Gottes. Die Seele des Menschen ist gleich wesentlich mit dem Sohne. Ohne die Seele kann Gott nichts schaffen; die Seele erschafft mit Gott Himmel und Erde, zeugt das göttliche Wort. "Zwischen dem eingeborenen Sohne und der Seele ist kein Unterschied." "Die Seele hat keinen Unterschied von unserem Herrn Jesus Christus . . . und alles, was man von unserem Herrn Jesus Christus sagen kann, kann man auch von der Seele sagen." In der Predigt von den Himmelskräften (Pfeiffer Nr. 67) legt Eckhart Lukas 21.26 ("Die Kräfte des Himmels werden bewegt werden") so aus: die Seele taucht zum Höchsten, in den höchsten Himmel ein, "der ganz nur Feuer ist" (siehe oben!); "So wird die Seele eine himmlische Behausung der ewigen Gottheit. So daß er seine göttlichen Werke nun in ihr vollbringt." "In sie gebiert der himmlische Vater seinen Sohn; sie lockt ihm den Sohn aus dem Herzen. In sie hauchen beide, Vater und Sohn, den heiligen Geist." So wohnt der Vater selbst in der Seele; in der Geburt des Sohnes in der Seele gießen Vater und Sohn den heiligen Geist in sie: "und der lehrt sie alle Dinge". "Solchermaßen nimmt die Seele die Welt zu eigen aus der Hand des Vaters; und hält die Welt als der Sohn; und weiß die Welt, im heiligen Geiste. Und nachdem sie also Besitz ergriffen von der ganzen Welt, gewinnt sie Ruhe in Gott ohne Ende." Man kann diese und viele verwandte Stellen im Sinne eines mensch-immanenten Titanismus lesen: als Übernahme des innergöttlichen Produktionsprozesses durch den gottmächtigen Menschen, der die Macht des Vaters, die Kraft des Sohnes und die Intelligenz des Geistes an sich nimmt und das Antlitz des Kosmos verändert. Hier führt ein Weg zu Hegel einerseits, zu Marx, zur Trinity-Bombe, der ersten Atombombe in Los Alamos 1943, die ja unter dem Stichwort "Dreifaltigkeit" gestartet wurde. Eckhart selbst wendet sich bereits gegen Zeitgenossen und Hörer seiner Predigten, die diese Konsequenzen zogen und sich aller Kräfte der Gottheit mächtig meinten (z.B. Predigt über Johannes 16,7, "Von den Hindernissen an wahrer Geistlichkeit"): gewisse Leute meinen, in die Dreifaltigkeit bereits gewandelt zu sein, sind dabei aber noch ganz ungehobelt. Eckhart gibt nun im einzelnen an, woran der Mensch seine wirkliche Wandlung erkennen kann. Es ist der abgeschiedene Mensch, die Seele, die ganz ausgegangen ist von allen irdischen Dingen. Dieser Seele wird durch den heiligen Geist alle Schuld getilgt, sie empfängt des Vaters ewige Weisheit. "Weiter empfängt die Seele, die mit der Wahrheit sich emporlocken läßt in die heilige Dreifältigkeit, in einem Augenblick von des Vaters Kraft und Allgewalt, daß ihr möglich wird, alle Dinge zu tun." Gott handelt nunmehr in ihr; "alles, was an der Seele lebt, das ist nichts anderes als Gott!" Also lautet Meister Eckharts Frohe Botschaft: wir Menschen sind Gottes Söhne, sind selbst der Sohn, wir tragen Gottes Reich in uns; in unserem Innersten "wohnt" die heilige Dreifaltigkeit, sie vollzieht dort ohne Unterlaß die ewige Geburt des Sohnes. "Gott ist ein Gott der Gegenwart" (Reden der Unterscheidung 20 f.), und der Mensch ist berufen, "ein rechter Mitarbeiter Gottes" zu sein. Eben deshalb aber, weil die Fülle der Gottheit im Menschen zugegen sein, sich in ihm, in seinem Leben, tagtäglich, immer, ewig, auszeugen möchte, gilt es, von allem Irdischen zu scheiden, damit dieser Reichtum, den wir in uns tragen, sich zu Gottes Ehre und unserem Glück offenbaren und voll entfalten kann. - Was höchste Hybris, vermessener Hochmut schien - und, wörtlich genommen, immer wieder so aufgefaßt werden kann -, entfaltet sich demnach als Demut: als Annahme von Allem, was Gott dem Menschen zukommen läßt. Eckharts oft mißverstandener "Liebeskommunismus" besagt ja eben dies: der Mensch, der sich ganz an Gott läßt, erfährt Gottes Kraft eben darin, daß er alle Dinge, Menschen, Freuden, Leiden, Widerstände, Feindschaften gelassen in sich aufnimmt, sie in sich hineinbirgt, und eben dadurch aus ihrer Angst, Enge, Starrheit erlöst - so wie immer und allezeit die allmachtige Gottheit für Gute und Böse die Sonne scheinen läßt, und ein Garten für Alle ist. "Du sollst alle Menschen dir gleich lieb haben und sie gleich achten und halten; was irgend einem anderen Menschen geschieht, es sei Böse oder gut, das soll dir so wert sein, als ob es dir selbst geschähe" (Predigt Va, 79). Eckhart gewinnt die Kraft für dieses große Offensein, für diese Kommunikation mit der ganzen Menschheit ebenso sehr aus seiner monastischen christlichen Spiritualität (er würde mit Therese von Lisieux sagen können: "Alles ist Gnade") wie aus seiner Verwurzelung im archaischen Grund des "gemeinen Volkes". Mag sein Denken, seine Geistspekulation der Verführung durch den Platonismus erliegen, im Grund seines Herzens lebt das uralte Vertrauen in die guten Kräfte, die allen Dingen eingegossen sind, in den guten Sinn allen Seins. Eckhart weiß wie Hildegard von Bingen und wie das Volk seiner Tage von der Kraft der Steine und der Kräuter, unbefangen erzählt er uralte Mären, die diesen Glauben bekunden (so vom Wiesel, das eine Schlange durch ein Kraut überwindet); und er weiß: auch "Worte haben große Kraft, man kann Wunder wirken mit Worten" (Deutsche Werke, l, Predigt 18,306). Wie ein Magier der Vorzeit, als ein Mächtiger des Wortes, dem Gewalt gegeben ist, durch das Wort zu wirken, steht Eckhart in seiner Zeit, und wieder in unserer Gegenwart.

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